sst_giesensdorfer_5Das einzigartige Modellprojekt Flexible Schulsozialarbeit unterstützt und fördert Adressaten sozialer Arbeit in Grundschulen der Region B in Steglitz. Im Idealfall wird nicht nur der gemeldete Vorgang mit dem beteiligten Schüler unterstützt, sondern auch das System Familie und Schule. So wurde auch die Giesensdorfer Schule diese glückliche Zuwendung zuteil und erfährt seit November vergangenen Jahres Aufwind durch die äußerst interessante Zusammenarbeit mit der Kunsttherapeutin Ilka Eichner. Die Idee Kinder zur fördern und dabei verschiedene Professionen zusammenwirken zu lassen ist ein fruchtbarer Nährboden für gelungene Kooperation im komplexen System Schule.

Zwei Schüler (Peter & Paul*) der 5. Klasse haben erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit einander und können die ihnen gesetzten Grenzen schwer einhalten. Das Klassenklima leidet auch unter den Spannungen der Jungs. Peter und Paul können sich spüren, in dem sie über die Grenzen des Anderen gehen. Es leuchtet ein, was das Überschreiten von Grenzen für Konsequenzen mit sich bringt, sie sind oft schmerzhaft und meist nicht erwünscht – eine fast zwingende Logik.  Damit es zu einem wertschätzenden Akzeptieren seines Gegenübers kommt, benötigt jeder seinen eigenen Raum und seine eigenen Grenzen. So haben beide Teilnehmer im Kunstprojekt den Auftrag bekommen, ihre Räume zunächst künstlich und künstlerisch zu schaffen und sind somit eigenverantwortlich in der Gestaltung, der Formgebung, dem Setzen von Grenzen. Dabei sollen sie die Grenzen des Partners wahren und respektieren.

Gestartet ist das Projekt am 13.11.2013 und findet im Kunstraum wöchentlich für 90 Minuten statt. Die Langziele sind das Erfahren von Lernstrukturen, Unterrichtsmotivation, Konzentration, gewaltfreie Kommunikation. Die Teilziele sind das Erkennen von Grenzen, Selbst – und Fremdwahrnehmung von Grenzen, Strukturklarheit und die achtsame Kommunikation miteinander. Das Projekt wird durch Frau Eichner und Herr Vergili pädagogisch begleitet.

Wir haben den Schülern folgende Materialien zum Start des Projektes angeboten:

Großes Papier, weitere Papiere und Schere, schwarze Öl- und Wachskreiden, Kreppklebeband und Farben zum ausgestalten.

Folgende Regeln müssen die Teilnehmer beachten:
Der Einstieg und Ausstieg in die Stunden sind gleich strukturiert und beginnen mit einem gemeinsamen  Ritual. Alle achten auf respektvollen Umgang miteinander. Nur einer spricht die anderen hören zu. Beim Gestalten wird nicht gesprochen und die Arbeiten des Anderen werden nicht bewertet oder ungefragt kommentiert.  Die Schüler müssen achtsam mit den Werken des Anderen umgehen und jeder macht seinen Arbeitsplatz am Ende selbstständig sauber & wieder ordentlich.

Erste Zusammenkunft:
Der Einstieg beginnt mit dem Bewegungskreis (nach M. Chace). Die Schüler werden ermutigt ihre Gefühle körperlich & pantomimisch darzustellen. Fragen werden von der Leitung gestellt: „Welches Ereignis hat heute den stärksten Eindruck hinterlassen?“ In Bewegung zeigen und die Gruppe macht es einmal mit. „Was war heute in mir das stärkste Gefühl?“ Das wird ebenfalls dargestellt.

Gestaltungsphase:
Große Karte der gefühlten Bewegungslandschaft:

Jeder hat eine Kreide in der Hand und sitzt zunächst an seinem Platz am großen Blatt. Die Augen sind möglichst geschlossen. Es darf sich gerne um das Blatt herum bewegt werden, aber langsam und im Uhrzeigersinn. Mit der Kreide werden nur Linien hinterlassen, versucht nicht abzusetzen, sondern wie eine Wanderung mit dem Stift durch verschiedene Landschaften oder Gefühle zu machen. Von außen werden von den Pädagogen Begriffe vorgegeben, die  als Anleitung dienen sollen. Wenn das Blatt gut gefüllt ist, dann sollen sie stehen bleiben, die Augen öffnen, das Bild betrachten, herum gehen und erste Eindrücke sammeln.

Nun schneidet jeder 3 verschiedene Passepartouts (z.B. Kreisausschnitt oder Dreiecksausschnitt). Nacheinander sucht jeder für sich drei verschiedene Orte auf der Karte mit Hilfe der Passepartouts aus, mit den Themen: 1. Der Ort des Wohlfühlens 2. Der Ort der größten Anspannung/Wut 3. Der Ort des größten Interesses.

Diese Orte werden mit Hilfe der Passepartouts auf der Karte farbig umrandet.

Dann bekommt jeder ein eigenes Blatt und ist eingeladen seinen Ort des Wohlfühlens so zu gestalten, dass er sich richtig gut darin fühlen würde. Das macht jeder für sich.

Dann wird das Werk gemeinsam betrachtet, es folgt eine Anregung zur Verstärkung von Elementen z.B.: Tür, Schutz, Bequemlichkeit etc.

Fragen werden dazu gestellt: „Wie ist es in deinem Wohlfühlort und was passiert außerhalb?

Wo gibt es den Wohlfühlort der Realität?“

Abschluss in der Runde/Blitzlicht:
Wie war es heute? Manchmal erfolgt das Feedback auch ohne Worte z.B.: mit Steinen, Farben, Trommeln o.ä.

So gestaltete sich das große Bild im Lauf der letzten Monate Schicht für Schicht zu einem interessanten und bunten Gesamtkunstwerk auf das Peter & Paul gerne schauen, ihre Gefühle hineingeben können und darauf auf große fantastische Reisen gehen mögen. Letztens auf dem Rücken eines großen Adlers über die gesamte Landschaft …

In naher Zukunft erfolgt die Transferleistung in die gesamte Klasse der beiden Teilnehmer des Projektes, so dass die Kinder in ähnlicher Weise ihre Räume kreieren können und das Thema Grenzen erkennen – Grenzen setzen, für alle Schüler_innen spürbar machen soll.

Konzept: Ilka Eichner/Kunstpädagogin
Text: Engin Vergili/Sozialpädagoge/ Giesensdorfer Schule

*Namen geändert